Lateinamerika: Unternehmen reagieren auf sinkende Zahlungsmoral

Jedes zweite Unternehmen in Lateinamerika ist von Zahlungsverzug betroffen und muss länger auf sein Geld warten. Die durchschnittliche Dauer des Zahlungsverzugs ist 2024 auf 52 Tage gestiegen – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr. Um die eigene Liquidität zu stärken, haben viele Firmen ihre Kreditbedingungen verschärft und bitten früher zur Kasse. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Kreditversicherers Coface, an der Unternehmen aus mehr als sieben Ländern teilgenommen haben.

Offene Rechnungen, die zu spät bezahlt werden, sind nach wie vor ein Risiko für die Liquidität lateinamerikanischer Unternehmen: Im Jahr 2024 geben 51% der Befragten an, dass sie von Zahlungsverzug betroffen sind. „In Argentinien, Brasilien, Kolumbien und Mexiko berichten deutlich mehr Unternehmen von einem Anstieg als von einem Rückgang der Zahlungsverzögerungen. Dies lässt eine allmähliche Verschlechterung der Handelsbedingungen erkennen“, sagt Coface-Volkswirtin Patricia Krause. Die durchschnittliche Dauer des Zahlungsverzugs ist erheblich gestiegen – von 36 Tagen im Jahr 2023 auf 52 Tage im Jahr 2024. Besonders deutlich ist dieser Anstieg in Ecuador (+26 Tage gegenüber 2023), Kolumbien (+22 Tage) und Peru (+21 Tage) zu spüren. Am längsten müssen Unternehmen aus Ecuador auf ihr Geld warten, der durchschnittliche Zahlungsverzug beträgt mit 64 Tagen rund 9 Wochen. Die kürzeste Wartezeit müssen dagegen Firmen in Brasilien (33 Tage; +4) und Argentinien (45 Tage; +16) überbrücken.

Als Hauptgrund für den verspäteten Zahlungseingang nennen 70 Prozent der Befragten, dass ihre Kunden selbst von Zahlungsverzug betroffen sind. Um Zahlungsausfälle zu vermeiden, nutzt die Mehrheit Kreditmanagement-Lösungen wie eine Warenkreditversicherung, Inkasso-Services, Wirtschaftsauskünfte oder Factoring. Nur 3% der Befragten gaben an, überhaupt kein Schutzinstrument einzusetzen.

Zahlungsfrist um eine Woche verkürzt

Auf das schwierige wirtschaftliche Umfeld in der Region haben die Unternehmen mit einer Verschärfung ihrer Kreditkonditionen reagiert. Im Jahr 2024 bieten 88% der befragten Unternehmen ein Zahlungsziel, also einen Lieferantenkredit, an. Die durchschnittliche Kreditlaufzeit ist jedoch von 60 Tagen im Vorjahr auf 53 Tage im Jahr 2024 gesunken – ein Trend, der in sämtlichen Ländern, die an der Befragung teilgenommen haben, zu beobachten ist. Zum Vergleich: In China betrug die durchschnittliche Zahlungsfrist bei der letzten Befragung durch Coface 70 Tage, in Frankreich waren es 48 Tage und in Deutschland 32 Tage.

Am frühesten werden die Kunden mexikanischer Unternehmen zu Kasse gebeten, hier beträgt die durchschnittliche Zahlungsfrist 46 Tage. Am großzügigsten agieren Firmen in Brasilien, deren Kunden mit 60 Tagen rund zwei Monate Zeit haben, offene Rechnungen zu begleichen. Mit Blick auf die verschiedenen Wirtschaftszweige bietet die Holzbranche mit 36 Tagen die kürzesten Kreditlaufzeiten an, während die Chemie- und die Pharmabranche durchschnittliche Zahlungsfristen jenseits von 60 Tagen anbieten.

Über die Studie

Die Coface-Umfrage zu Zahlungserfahrungen und Kreditmanagementpraktiken von Unternehmen in Lateinamerika wurde zwischen Juli 2024 und September 2024 durchgeführt. Insgesamt 468 Unternehmen aus 13 Branchen und mehr als sieben wichtigen Volkswirtschaften (u.a. Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Kolumbien, Mexiko, Peru) nahmen an der Befragung teil.

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