Am 2. April 2025, dem sogenannten Befreiungstag („Liberation Day“), hat US-Präsident Donald Trump eine drastische Erhöhung der Zölle für sämtliche Handelspartner angekündigt: mindestens 10% für alle Länder, für einige deutlich mehr. Ob diese Maßnahmen dauerhaft in Kraft bleiben, ist offen – aber sie sind bereits jetzt ein beispielloser Schock für das globale Handelssystem der Nachkriegszeit.
Historische Wende hin zum Protektionismus
Die Einführung sogenannter „reziproker“ Zölle von mindestens 10%, die am 5. April 2025 in Kraft getreten sind, markiert eine dramatische Eskalation der US-Handelspolitik und übertrifft die schlimmsten Szenarien und Ankündigungen während des Wahlkampfs. Viele US-Handelspartner wie China (34%), die Europäische Union (20%) und Japan (24%) werden ab dem 9. April noch höheren Zöllen ausgesetzt sein. Die reziproken Zölle kommen als Aufschlag zu den bisher existierenden Zöllen hinzu.
Mexiko und Kanada gehören zu den wenigen Ländern, die Gegenzöllen entgehen und weiterhin zollfreien Zugang zum US-Markt für Waren haben, die dem USMCA-Handelsabkommen (zwischen den USA, Mexiko und Kanada) entsprechen. Energie und mineralische Rohstoffe, die im Inland nicht verfügbar sind, sowie Branchen, die bereits spezifischen Zöllen unterliegen (Stahl, Aluminium, Automobil) oder in den kommenden Wochen womöglich unterliegen werden (Pharmazeutika, Halbleiter, Kupfer, Holz), werden ebenfalls ausgenommen.
Ein Bruch im Welthandel
Laut Coface-Schätzungen dürfte diese Erhöhung den durchschnittlichen effektiven Zollsatz der USA auf ausländische Produkte von 2,3% im Jahr 2024 auf 26,2% anheben, der höchsten Stand seit über einem Jahrhundert. Es ist auch die abrupteste Änderung seit dem Smoot-Hawley-Gesetz von 19301. Trumps Ankündigungen stellen einen Bruch mit den multilateralen Handelsstandards dar (einschließlich der WTO-Regeln, nach denen der Zoll eigentlich nach dem Meistbegünstigungsprinzip festgelegt wird und bisher in den USA bei 3,3% lag) und drohen eine Eskalationsspirale protektionistischer Maßnahmen auszulösen. Sie schwächen Lieferketten und erhöhen die Unsicherheit für Unternehmen zu einer Zeit, in der das Risiko einer geo-ökonomischen Fragmentierung ohnehin hoch ist.
Regionen sind unterschiedlich betroffen
Asiatische Volkswirtschaften – alle stark abhängig vom US-Handel – werden am stärksten betroffen sein, wenn ihre Exporte hoch besteuert werden. So machen in Vietnam die Exporte in die USA 29% am BIP aus, in Kambodscha sind es 27%, in Taiwan immerhin noch 15% und Malaysia und Thailand sind mit jeweils 12% betroffen. Einige afrikanische Volkswirtschaften wie Lesotho oder Madagaskar sind zwar nicht ganz so abhängig von Exporten in die USA mit 10% bzw. 4% am BIP, aber die Zollerhöhung um 50% bzw. 47% machen sich umso stärker bemerkbar. Ähnlich geht es auch einzelnen Volkswirtschaften in Zentralamerika wie Nicaragua (Exporte machen 24% am BIP aus) oder Honduras (mit 15% am BIP betroffen). Unter den großen Volkswirtschaften werden Südkorea, Japan, China und Indien voraussichtlich stark getroffen, schon wegen der hohen reziproken Zölle. So werden die Zölle in China um 34 Prozentpunkte angehoben, zusätzlich zu den bereits geltenden 20% und weiteren Erhöhungen, die in den letzten Wochen angekündigt wurden. Alle EU-Mitgliedstaaten werden mit einem Anstieg der Zölle in Höhe von 20% konfrontiert, wobei Deutschland und Italien (US-Exporte machen jeweils 3% am BIP aus) besonders betroffen sind.
Eskalieren die Handelsspannungen?
Die betroffenen Länder reagieren sehr unterschiedlich auf die neue Situation. China hat dies bereits getan und am 4. April eine Zollerhöhung gegenüber US-Produkten um 34 Prozentpunkte angekündigt. Sie gilt ab dem 10. April. Zusätzlich wurden Exportkontrollen auf sieben Seltene Erden, die für Hightech-Produkte und Rüstungsgüter gebraucht werden, verhängt und 11 US-Unternehmen wurden auf eine „Schwarze Liste“ gesetzt und sind somit vom chinesischen Markt ausgeschlossen. Auch die Europäische Union ringt um eine schnelle Gegenreaktion. Ein Deal wurde angeboten, wonach die EU und die USA jeweils gegenseitig alle Zölle auf Industrieprodukte streichen. Als Alternative könnte die EU aber auch zum ersten Mal seit der Verabschiedung Ende 2023 von ihrem neuen „Anti-Coercion Instrument“2 Gebrauch machen. Mittelfristig wird sich die Neuordnung der Handelsströme auf alle Volkswirtschaften auswirken: Asiatische Exporteure werden beispielsweise gezwungen sein, neue Absatzmöglichkeiten zu suchen, was den Wettbewerb auf anderen Märkten, insbesondere in Europa, verschärfen könnte.
Eine geschwächte US-Wirtschaft
Die Zölle werden eine amerikanische Wirtschaft treffen, die zuletzt bereits Anzeichen einer Abschwächung zeigte – mit einem niedrigen Konsum privater Haushalte zu Beginn des Jahres 2025. Der Anstieg der Kosten infolge der Erhöhung der Einfuhrzölle könnte auch die Investitionsentscheidungen von Unternehmen und die Kaufentscheidungen der Verbraucher erheblich bremsen. Die Auswirkungen auf die Inflation, die vor den Ankündigungen Trumps auf 2,8% im Jahrdurchschnitt 2025 geschätzt wurde, werden genau beobachtet werden. Einige Schätzungen während des letztjährigen Wahlkampfs deuteten darauf hin, dass solche Zollerhöhungen die Inflation in diesem Jahr um bis zu 2 Prozentpunkte steigern könnten. Das erhöhte Inflationsrisiko in einer Zeit möglicher Rezession wird die Aufgabe der US-Notenbank Federal Reserve erschweren, die bei ihren geplanten Zinssenkungen nun noch vorsichtiger vorgehen muss.
Klare Ziele, offene Ergebnisse
Obwohl die Ziele der Trump-Administration – Ausgleich bilateraler Handelsbilanzen, Produktionsverlagerung, höhere Steuereinnahmen und Schaffung eines Verhandlungsvorteils – politisch attraktiv sind, ist unklar, ob sich diese Ziele mit Zöllen effektiv erreichen lassen. Handelsdefizite hängen hauptsächlich von makroökonomischen Faktoren ab, jedoch nicht von Einfuhrzöllen. Darüber hinaus beseitigen Zölle keine anderen strukturellen Hindernisse, wie Arbeitskosten und Qualifikationen, die für die Standortverlagerung erforderlich sind. Im Jahr 2024 generierten Zölle in den USA Einnahmen in Höhe von rund 88 Milliarden Dollar, was nur 1,5% der gesamten US-Einnahmen ausmachte. Zuletzt besteht die Gefahr, dass die Handelspartner, die hart und vor allem gleichzeitig getroffen werden, ihre Gegenmaßnahmen koordinieren – so wie Japan, Südkorea und China es kürzlich getan haben –, was wiederum die Verhandlungsposition der USA schwächen könnte.


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1 Gesetz, das am 17. Juni 1930 von Präsident Herbert Hoover erlassen wurde, um auf etwa 20.000 Arten von Importgütern durchschnittliche Steuern von fast 40% zu erheben.
2 Das Anti-Coercion Instrument (ACI) der EU ist eine Maßnahme, die darauf abzielt, die Interessen und souveränen Entscheidungen der Union und ihrer Mitgliedstaaten vor wirtschaftlichem Zwang durch Drittländer zu schützen.