Coface hat Ende Oktober ihr aktuelles Länderrisiko-Barometer veröffentlicht. In der neuesten Auflage der „Coface Risk Map“ wurden mit Albanien, Zypern, Ruanda und Costa Rica insgesamt vier Länder mit einem verbesserten Länderrisiko versehen, während die Bewertung von Israel von A3 auf A4 herabgestuft wurde. Das Länderrisiko beschreibt das allgemeine Umfeld eines Landes, um lokale Kreditrisiken zu bewerten und einordnen zu können – dabei reicht die Skala von A1 (sehr niedriges Risiko) bis E (extrem hoch). Deutschland hatte noch bis Juli 2019 eine A1-Bewertung. Im Zuge der Coronapandemie wurde es von A2 auf A3 herabgestuft. Nach einem kurzen „Comeback“ in das A2-Segment im Jahr 2021 wurde Deutschland mit Beginn des Kriegs in der Ukraine wieder auf A3 herabgestuft und verbleibt dort seit über zwei Jahren. Das sind die Hintergründe für die derzeitige Länderrisiko-Bewertung:
Während im Frühjahr 2024 zumindest die Hoffnung auf einen Aufschwung im Euro-Raum erkennbar war, hat sich diese mittlerweile der Resignation geschlagen gegeben. Der Private Konsum bleibt sehr zurückhaltend, Investitionen werden aufgeschoben und der Außenhandel erholt sich mit Blick auf das gemischte Konjunkturbild in den USA und in China nur kurzfristig. Zwar ist dank steigender Tariflöhne und eines gleichzeitig sinkenden Inflationsdrucks ein erhebliches Reallohnwachstum zu verzeichnen – allerdings zeigt sich dieses mehr in einer erhöhten Sparquote als in einem stärkeren Konsum. Die „Rechnung“ tragen derzeit hauptsächlich die Unternehmen, deren Margen weiter schwinden. Das hat in einigen großen europäischen Ländern zu den höchsten Unternehmensinsolvenzzahlen seit 2016 geführt.
Sieben EU-Länder müssen sparen
Ein positiver Faktor ist die Geldpolitik: Nach zwei Jahren mit Zinsanstiegen oder dem Verbleib auf hohem Niveau, hat in diesem Jahr die Senkung der Zinsen begonnen. Die EZB hat seit Juni 2024 bereits drei Zinssenkungen beschlossen und sollte diese vorsichtigen Schritte im weiteren Jahresverlauf und 2025 fortführen. Währenddessen bremst die staatliche Finanzpolitik die Investitionstätigkeit im Euro-Raum. Im Juli 2024 hat die EU gegen sieben Länder ein Defizitverfahren eingeleitet: Betroffen sind Belgien, Frankreich, Italien, Malta, Polen, die Slowakei und Ungarn. Alle wurden zu einem harten Sparkurs verpflichtet, wodurch weitere Wachstumsimpulse ausbleiben. Somit sollte das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum nach einem mageren Plus von 1,0 Prozent zum Vorjahr in diesem Jahr, im kommenden Jahr mit 1,3 Prozent nur leicht stärker ausfallen.
Vor allem in Deutschland sind die Löhne stark gestiegen
Deutschland ist mitten in dieser Resignation gefangen. Zwar ist der diesjährige Sommer konjunkturell besser gelaufen als gedacht (hier haben sich Sonderfaktoren wie die Fußball-EM oder die Konzerte von Taylor Swift und Adele bemerkbar gemacht), davon abgesehen erwartet Coface allerdings nur eine leichte Konjunkturbelebung für das kommende Jahr – getragen von den Zinssenkungen und einem etwas stärkeren Privaten Konsum. Der Reallohnzuwachs war in Deutschland besonders stark, unter anderem weil die Gewerkschaften in ihren Lohnforderungen mit einer erheblich höheren Inflation gerechnet hatten, als sie sich speziell in der zweiten Jahreshälfte 2024 gezeigt hat. Daher sollte neben einer erhöhten Sparquote auch Geld für Konsumausgaben (wahrscheinlich mehr in Freizeitangebote) zur Verfügung stehen. Die fiskalpolitische Vollbremsung, die manch andere europäische Länder trifft, fällt in Deutschland insofern aus als ein Sparkurs ohnehin „typisch deutsch“ ist. Gegen Deutschland läuft kein Defizitverfahren und der aktuelle Budgetplan der Bundesregierung sieht nach einem deutlich höheren Volumen der investiven Ausgaben im aktuellen Jahr 2024 (70,8 Mrd. Euro nach 55 Mrd. Euro im Jahr 2023) einen weiteren Anstieg auf einen Rekordwert von 81 Mrd. Euro im Jahr 2025 vor. Durch Einsparungen im Sozialbereich und ein höheres Steueraufkommen rechnet die EU für Deutschland derzeit mit einem Defizit von 1,2 Prozent am BIP im kommenden Jahr. Das würde die Verschuldungsquote auf unter 62 Prozent drücken (60 Prozent sind das Maastricht-Ziel).
Mehr Insolvenzen und höhere Schäden
Die Stagnation der letzten Jahre hat ihre Spuren hinterlassen. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen hat ein Niveau erreicht, das dem von 2016 gleicht. Das kann man unterschiedlich bewerten: Zum einen werden dadurch Kapital und Arbeitskraft frei, die an anderer Stelle dringend benötigt werden. Es handelt sich also um einen klassischen Bereinigungseffekt. Zum anderen muss man sich hierzulande aber nach Jahren mit sehr geringen Insolvenzzahlen nach und nach wieder an das etwas höhere Niveau gewöhnen. Problematisch sind vor allem die Schäden aus Insolvenzen. Denn nicht nur mehr, sondern auch größere Unternehmen gehen aktuell in die Insolvenz. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2024 hat sich die Summe der erwarteten Schäden nach Aussage des statistischen Bundesamtes bereits auf 36,6 Mrd. Euro hochgeschraubt. Damit wird jetzt bereits deutlich, dass 2024 eines der teuersten Jahre seit der Finanzmarktkrise 2009 werden könnte.
Blick auf die Branchen
Mit Blick auf die Bewertung deutscher Branchen gibt es seitens Coface keine Veränderungen. Weiterhin werden der Bau, die Textil- und Bekleidungsbranche sowie die Holzindustrie mit sehr hohem Risiko bewertet. Das Prädikat „geringes“ Risiko hält derzeit keine Branche in Deutschland. Allerdings wird bei genauerem Blick auf die Konjunkturdaten deutlich, dass zumindest in einzelnen Branchen der Tiefpunkt durchschritten ist. Aufträge und Produktion stabilisieren sich und legen sogar leicht zu. Dies reicht jedoch (noch) nicht aus, um eine verbessertes Branchenrisiko zu rechtfertigen.
Alle Infos zum Coface Barometer und die Coface Risk Map finden Sie HIER.