Länderrisiko: Darum bleibt Deutschland weiter in A3

Der Kreditversicherer Coface hat im Februar sein aktuelles Länderrisiko-Barometer veröffentlicht. Das Länderrisiko beschreibt das allgemeine Umfeld eines Landes, um lokale Kreditrisiken zu bewerten und einordnen zu können – dabei reicht die Skala von A1 (sehr niedriges Risiko) bis E (extrem hoch). Auf der neuen „Coface Risk Map“ wurden mit dem Vereinigten Königreich, Luxemburg, dem Oman und Guyana insgesamt vier Länder mit einem verbesserten Länderrisiko versehen, während die Bewertung von Bangladesch, Botswana und den Malediven herabgestuft wurde. Deutschland hatte bis Juli 2019 eine A1-Bewertung. Im Zuge der Coronapandemie wurde es von A2 auf A3 herabgestuft. Nach einem kurzen „Comeback“ in das A2-Segment im Jahr 2021 wurde Deutschland nach Beginn des Ukraine-Krieges wieder auf A3 herabgestuft und verbleibt dort seit fast drei Jahren. Christiane von Berg, Coface-Volkswirtin für die DACH-Region und BeNeLux, erklärt die Hintergründe für die derzeitige Länderrisiko-Bewertung Deutschlands:

Nach zwei Jahren Stagnation sollte sich die deutsche Wirtschaft auch im Jahr 2025 weiterhin um die Null-Linie bewegen und laut Coface-Prognose um 0,2 Prozent und somit nur minimal im Vergleich zum Vorjahr wachsen. Dabei sind die Rahmenbedingungen für eine Konjunkturerholung eigentlich vorhanden. Die Nominallöhne sind 2024 um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen. Bei einer Inflationsrate von 2,2 Prozent im selben Zeitraum bedeutet dies einen realen Lohnanstieg von 3,1 Prozent – der stärkste Reallohnanstieg seit Beginn der Zeitreihe im Jahr 2008. Die Inflationsausgleichsprämie hat sich hier besonders bemerkbar gemacht. Gerade bei den Geringverdienern hat dies zu überproportional starken Lohnanstiegen geführt. Damit sind die Kaufkraftverluste der Energiekrise und der Pandemie erst einmal ausgeglichen. Für 2025 erwarten wir zwar ein etwas geringeres Nominallohnwachstum, bei einer Inflationsrate von 2,2 Prozent bleibt jedoch noch immer einiges übrig. Dank Bewertungsgewinnen, z. B. von Aktien, ist das Gesamtvermögen deutscher Privathaushalte zudem auf einen Rekordwert von 9 Billionen Euro gestiegen und würde ebenfalls mehr Ausgaben zulassen.

 

4 Zinsschritte erwartet

Der Arbeitsmarkt zeigt eine zweigeteilte Entwicklung: Während im Dienstleistungssektor weiterhin hohe Lohnsteigerungen durchsetzbar sind, ist die Lage in der Industrie weniger dynamisch. In einigen Bereichen wird dort mit einem Stellenabbau gerechnet. Allerdings sind lediglich 15 Prozent aller Beschäftigten in der Industrie tätig, und die aktuellen Meldungen zum Abbau von Arbeitsplätzen betreffen unmittelbar nur 1 Prozent der Industriearbeitsplätze. Das entspricht  0,15 Prozent aller Erwerbstätigen.

Unterstützend dürfte sich die Zinsentwicklung auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Coface rechnet in diesem Jahr mit vier Zinsschritten der EZB um jeweils 25 Basispunkte. Dadurch würde der Einlagesatz auf 2 Prozent sinken – ein Niveau, das als neutral gilt. Die Zentralbank würde damit die europäische Wirtschaft weder bremsen noch stimulieren. Der Staat hat bereits im letzten Jahr deutlich mehr investiert und würde nach den ersten Plänen für das Jahr 2025 weiterhin mehr investieren. Der Gesamtumfang ist jedoch abhängig vom Ausgang der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD.

 

Auf die Stimmung und den Außenhandel kommt es an

Es gibt zwei große Dreh- und Angelpunkte für das Jahr 2025: Das ist zum einen die Stimmung: Die wirtschaftspolitische Unsicherheit (gemessen am Economic Policy Uncertainty Index) ist in Deutschland nach wie vor außerordentlich hoch – deutlich höher als während Donald Trumps erster Amtszeit. Eine neue Regierung könnte, unabhängig von größeren Reformvorhaben, in erster Linie zu mehr Planungssicherheit und damit mehr Vertrauen in die deutsche Wirtschaft führen. Der zweite wichtige Punkt ist der Außenhandel im Verlauf der zweiten Amtszeit von Donald Trump. Noch ist nicht klar, welche Zölle, abgesehen von denen auf Aluminium und Stahl, es für wen genau geben wird. Zwar kann man davon ausgehen, dass Zölle negative Effekte auf die deutschen Exporte haben würden – wie hoch dieser Effekt ist, hängt jedoch davon ab, wie die Abnehmer und Konsumenten in den USA darauf reagieren. Zudem könnten deutsche Produkte gegenüber Produkten aus anderen Ländern mit womöglich höheren Zollbelastungen (z. B. China) profitieren, weil sie dann preislich wettbewerbsfähiger werden könnten. 

 

Automobil- und Metallbranche mit "sehr hohem Risiko" bewertet

Auf Branchenebene hat Coface in der aktuellen Bewertung für Deutschland zwei Herabstufungen vorgenommen. Diese betreffen die Automobil- und die Metallindustrie. Beide wurden von „hohes Risiko“ auf „sehr hohes Risiko“ gesetzt. Die Stimmung war lange Zeit schlecht im Automotive-Sektor – aber mittlerweile scheint ein neuer Tiefpunkt erreicht. Das lässt sich auch daran ablesen, dass diverse Großunternehmen der Branche wie Volkswagen oder Ford sowie die großen Zulieferer wie zum Beispiel Continental Stellen abbauen oder gar ganze Standorte schließen. Darüber hinaus bleibt die Verunsicherung der deutschen Verbraucher beim Thema E-Autos hoch. Dies liegt vor allem daran, dass die E-Modelle deutscher Hersteller weiterhin überwiegend im hochpreisigen Segment angesiedelt sind, das Verbrenner-Aus politisch mehrfach in Frage gestellt wurde und die Ladeinfrastruktur nach wie vor unzureichend ist. Als unmittelbare Zulieferindustrie ist von dieser Entwicklung auch die Metallbranche betroffen. Aufgrund der europaweiten Schwäche der Industrie und der Überkapazitäten in China bleibt hier die Nachfrage aus.

 

Alle Infos zum Coface Barometer und die Coface Risk Map finden Sie HIER.

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