Schritt für Schritt in Richtung Vorkrisenniveau: Im Jahr 2023 bieten zwar acht von zehn deutschen Unternehmen ihren Abnehmern einen Lieferantenkredit an – die entsprechenden Zahlungsfristen wurden jedoch weiter verkürzt. Darüber hinaus geben drei Viertel der Firmen an, von verspäteten Zahlungen betroffen zu sein. Von der schlechtesten Zahlungsmoral berichten dabei Unternehmen aus der Automobil- und der Transportbranche. Das sind Erkenntnisse der jährlichen Befragung des Kreditversicherers Coface zu Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen.
Im Gegensatz zu den vergangenen Jahren wird das Zahlungsverhalten in diesem Jahr nicht durch außergewöhnliche Ereignisse wie die COVID-19-Pandemie oder den Beginn des Ukrainekriegs beeinflusst. Dies führt zu einem Normalisierungseffekt und die Zahlungserfahrungen deutscher Unternehmen nähern sich weiter dem Niveau vor Ausbruch der Pandemie. Im Jahr 2023 räumen 79 Prozent der befragten Unternehmen ihren Kunden ein Zahlungsziel, also einen Lieferantenkredit, ein. Dieser Wert liegt 8 Prozentpunkte über dem Vorjahr und ist vergleichbar mit 2019, als 81 Prozent Zahlungsziele anboten. „Auf den ersten Blick deutet diese Entwicklung auf eine Entspannung hin. Allerdings versuchen die Unternehmen, die Zahlungsfristen anbieten, immer früher an ihr Geld zu kommen“, sagt Coface-Volkswirtin Christiane von Berg. Mehr als die Hälfte der befragten Unternehmen fordert ihr Geld innerhalb von 30 Tagen, die durchschnittliche Lieferantenkredit-Laufzeit erreicht mit 32 Tagen den niedrigsten Stand seit 2017. Mit 20 Tagen (-4 Tage gegenüber 2022) bittet das Baugewerbe im vierten Jahr in Folge am frühesten zur Kasse, während der Automobilsektor mit 47 Tagen (+5 Tage) am großzügigsten agiert.
Zahlungsverzögerungen auf dem Vormarsch – Ausnahme Textilindustrie
Weiter verschlechtert hat sich 2023 die Zahlungsmoral von Kunden deutscher Firmen. Bereits im vergangenen Jahr war der Anteil von Unternehmen, die länger als vereinbart auf ihr Geld warteten, von 59 Prozent (2021) auf 65 Prozent angestiegen. In der aktuellen Befragung geben nun 76 Prozent (+11 Prozentpunkte) an, in den vergangenen 12 Monaten betroffen gewesen zu sein. „Die Daten zum Zahlungsverzug zeigen, wie sehr staatliche Unterstützungsmaßnahmen den Unternehmen in den letzten Jahren geholfen haben. Jetzt, da fast alle COVID-19 bezogenen Unterstützungsmaßnahmen ausgelaufen sind und die Auswirkungen der Energiesubventionen abgeflacht sind, haben wir in puncto Zahlungsverzögerungen wieder annähernd Vorkrisenniveau erreicht“, sagt Christiane von Berg. In den Befragungen vor Ausbruch der Pandemie berichteten durchschnittlich 82% der befragten Unternehmen von verspäteten Zahlungen. Am häufigsten betroffen sind 2023 Firmen in der Automobil- (88%) und Transportbranche (85%). Im Gegensatz dazu weist der Textil- und Bekleidungssektor mit 58 Prozent den niedrigsten Anteil an Unternehmen auf, die länger auf ihr Geld warten mussten – während die gleiche Branche 2020 noch „Spitzenreiter“ dieser Kategorie war.
Die durchschnittliche Dauer von Zahlungsverzögerungen steigt von 29 auf 30 Tage im Jahr 2023. Dieser Wert ist historisch betrachtet niedrig, denn der durchschnittliche Zahlungsverzug vor der Pandemie lag bei rund 10 Tagen mehr. Die meisten Wirtschaftszweige – mit Ausnahme vom Holz-, Bau- und Textilgewerbe – meldeten einen Anstieg der Dauer des durchschnittlichen Zahlungsverzugs. Mit einem Durchschnitt von 22 Tagen berichten die Unternehmen des Papier- und Verpackungssektors nach wie vor von der kürzesten Wartezeit, während Unternehmen der Finanzbranche sich mit einer durchschnittlichen Wartezeit von 39 Tagen am längsten gedulden müssen.
Über die Umfrage
Die siebte Auflage der Coface-Studie zu Zahlungserfahrungen von Unternehmen in Deutschland wurde im Juli und August 2023 durchgeführt. 1.075 Unternehmen aus mehr als 13 breit gefächerten Sektoren nahmen an der Befragung teil.