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25.03.2024
Länder- und Branchenbewertungen

Soziale und politische Risiken: Was ist 2024 zu erwarten?

Soziale und politische Risiken: Was ist 2024 zu erwarten?

In diesem Jahr stehen in über 70 Ländern nationale Wahlen an. Dabei wird die Hälfte der Weltbevölkerung zur Wahlurne schreiten. Es wird ein entscheidendes Jahr für die (geo)politische Stabilität und den Welthandel sein. Der soziale und politische Risikoindex von Coface warnt vor einem wackeligen, risikoreichen Umfeld weltweit. Im Folgenden analysiert Coface drei Risiken, die in diesem Jahr besonders wichtig werden.

Es besteht kein Zweifel daran, dass 2024 ein turbulentes Wahljahr werden wird. Bereits im Januar wurde in Taiwan der chinakritische Lai Ching-te, auch bekannt unter seinem englischen Namen William Lai, zum neuen Präsidenten gewählt. Die letzten Wahlen finden am 5. November in den USA statt. Dieses historisch hohe Wahlaufkommen wird mehr als 70 Nationen – darunter sieben der bevölkerungsreichsten Länder der Welt – und somit die Hälfte der Weltbevölkerung und etwa 55 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts betreffen. Von Indien bis Mexiko, über Österreich, Tunesien, Indonesien und El Salvador bieten die Wahlen eine Gelegenheit, dass sich populistische Strömungen über alle fünf Kontinente hinweg ausbreiten. Dies wird einen Trend verstärken, der sich zuletzt mehr und mehr etabliert hat: die Zunahme sozialer Unruhen und (geo)politischer Instabilität.

„Unsere Indikatoren kündigen seit Beginn des Jahrzehnts an, dass wir in eine neue Phase sozialer und politischer Risiken eintreten. Vor dem Hintergrund der bevorstehenden Wahlen unterstreicht unser neuester Risikoindex, dass die soziale und politische Anfälligkeit weltweit zunimmt. Das führt gleichermaßen zu Unsicherheit und Instabilität. Der globale Durchschnittswert ist auf 38,6 Prozent gestiegen, was nicht weit vom Höchststand von 39,4 Prozent im Jahr 2021 nach der Covid-19-Krise entfernt ist, und über dem Vor-Pandemie-Niveau liegt“, erklärt Ruben Nizard, Volkswirt für Nordamerika und Head of Political Risk bei Coface. Zwischen 2016 und 2020 lag der durchschnittliche Indexwert bei 36,9 Prozent.

Abb. 1: Politischer Risikoindex von Coface* (Risikoskala von 0, geringstes Risiko, bis 100%, höchstes Risiko)
(Quelle: Coface)

Abb. Pol. Risiko Index

*Der Coface Index zum Politischen Risiko wird einmal im Jahr erstellt und bezieht sich auf die zu diesem Stand vorliegenden Daten des Vorjahres. Daher werden die Ausschläge in diesem Index um ein Jahr versetzt angezeigt.

 

Die 3 Risiken, auf die man 2024 achten sollte

In einer Welt, in der die geopolitische Ordnung, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat, neu gestaltet wird, kommt einigen Wahlen besondere Bedeutung zu. Die „Presidential Elections“ in den Vereinigten Staaten sind ein entscheidender Moment für die Weltpolitik und werden sicherlich Ziel von Destabilisierungsversuchen sein. Gleiches gilt für Taiwan, wo der Sieg der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) bedeutet, dass sich die Spannungen mit China weiterhin um den Status der Insel drehen werden. Auch das Ergebnis der US-Wahl wird für die künftigen Beziehungen zwischen dem Westen und dem chinesischen Festland entscheidend sein. Die Risiken, die mit Wahlen verbunden sind, variieren in ihrer Art und ihrem Ausmaß. Einige der Wahlen bestimmen nur die repräsentative Funktion der Präsidentschaft, andere bestimmen die Parlamentszusammensetzung. Und in einigen Ländern werden zwar Wahlen stattfinden, aber die Wähler werden nur eine begrenzte Auswahl haben. Drei Risikotrends sind zu beobachten:

1. Politische Verschiebungen und Unsicherheit

Das derzeitige sozioökonomische Umfeld in vielen Ländern dürfte zu einem Gefühl der Ablehnung oder gar Feindseligkeit gegenüber der amtierenden Regierung beitragen, was in Wahlperioden auch im wirtschaftlichen Umfeld zu Unsicherheiten und Unbeständigkeit führt. Die Tendenz zum Populismus, die mindestens seit 2010 zu beobachten ist, wurde Ende 2023 durch die Wahlerfolge von Geert Wilders und Javier Milei in den Niederlanden bzw. in Argentinien noch einmal unterstrichen. Infolgedessen ist es noch schwieriger vorherzusagen, welche Richtung die jeweilige Regierungspolitik einschlagen wird. Die soziale und politische Verwundbarkeit in Europa nimmt rapide zu und die bevorstehenden Wahlen – insbesondere zum Europäischen Parlament – werden einen fruchtbaren Boden für anti-europäische extremistische Bewegungen bilden. Darüber hinaus werden in einigen EU-Mitgliedstaaten nationale Wahlen abgehalten: Österreich, Kroatien, Litauen, Rumänien und Belgien. Finnland, Portugal und die Slowakei haben bereits gewählt.

2. Soziale Unruhen

Ein zweites Risiko ist die mögliche Eskalation sozialer Unruhen, die durch steigende Preise, das schwindende Vertrauen in die Politiker und die weit verbreitete Unzufriedenheit der Wählerinnen und Wähler angeheizt werden. Die steigende Inflation und die Verlangsamung des Wirtschaftswachstums haben Missstände – insbesondere das Misstrauen gegenüber Institutionen – verstärkt, die schon lange vor der Coronakrise unter der Oberfläche brodelten. Es ist gut möglich, dass die bevorstehenden Wahlen in mehreren Teilen der Welt ein Umfeld für Massendemonstrationen schaffen werden. So könnten 2024 in bis zu 17 afrikanischen Ländern Wahlen stattfinden – auf dem Kontinent mit dem ohnehin höchsten Durchschnittswert beim „Social and Political Vulnerability Score“ und dem größten Anstieg innerhalb eines Jahres. Diese Dynamik passt zur politischen Instabilität, die zahlreiche afrikanische Länder in den letzten Jahren erlebt haben und die sich in Putschen und langwierigen Konflikten äußerte. Die jüngste Verschiebung der Präsidentschaftswahlen im Senegal ist ein gutes Beispiel dafür. Es wird auch wichtig sein, den Wahlprozess in asiatischen Ländern wie beispielsweise Sri Lanka genau zu beobachten – das zeigen auch die jüngsten Ereignisse rund um die Wahl in Pakistan.

3. Geopolitische Risiken

Die Pattsituation im Krieg zwischen Russland und der Ukraine, die zunehmenden Spannungen im Nahen Osten und die Erweiterung der BRICS-Staaten um fünf neue Mitglieder (Saudi-Arabien, Ägypten, Vereinigte Arabische Emirate, Äthiopien und Iran) machen deutlich, dass sich der Umbruch beschleunigt, der durch die tiefgreifende Infragestellung der Weltordnung und der „westlichen Modelle“ vorangetrieben wird. Vor diesem turbulenten geopolitischen Hintergrund kommt einigen dieser Wahlen eine besondere Bedeutung zu. Der jüngste Triumph der DPP in Taiwan hat nicht nur Auswirkungen auf die 24 Millionen Einwohner der Insel und die Beziehungen zwischen beiden Seiten der Formosastraße, sondern auch auf die globale geopolitische Dynamik insgesamt. Bei den Wahlen in Mexiko und Indien, zwei der bevölkerungsreichsten Länder der Erde, wird eine der wichtigsten Fragen sein, welche Position sie auf der Weltbühne künftig einnehmen werden. Kurz gesagt: Der dicht gedrängte Wahlkalender für 2024 wird die Weltordnung für die kommenden Jahre prägen.

"Warnsignale ernst nehmen"

„Die Kombination all dieser Faktoren wird zu einem Anstieg des sozialen und politischen Risikoindikators von Coface führen. Wir müssen diese Warnsignale wirklich ernst nehmen. Die Wahlen im Jahr 2024 werden in einem Kontext erhöhter geopolitischer Spannungen zwischen den verschiedenen Blöcken stattfinden, wobei die bündnisfreien Länder von Fall zu Fall Position beziehen werden. Diese komplexe Dynamik wird nicht nur populistischen Tendenzen und geopolitischer Instabilität Vorschub leisten, sondern auch zu einem globalen Klima der Unsicherheit oder weit verbreiteter Angst und Unzufriedenheit beitragen. Es scheint, dass dieses Jahrzehnt eine neue Phase sozialer und politischer Risiken einläutet, und die Zukunft sieht schon jetzt besorgniserregend aus“, warnt Ruben Nizard.

Kontakt


Sebastian KNIERIM

Pressesprecher
 
Isaac-Fulda-Allee 1
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Tel.: +49 6131 323 335
E-Mail: sebastian.knierim@coface.com

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